Harninkontinenz und Enuresis

Harninkontinenz und Enuresis sind bei Kindern und Jugendlichen ein sehr häufiges Problem, aber selten ein Symptom einer organischen Erkrankung. Bei fast allen Kindern findet sich eine funktionelle Störung mit guter Langzeitprognose.

Bei der Enuresis handelt es sich um unwillkürliches Einnässen nachts im Schlaf, bei der funktionellen Harninkontinenz um unwillkürlichen Urinverlust tagsüber. Dabei gibt es auch Kombinationen beider Störungen.  

Das Einnässen kann von Geburt an bestehen (primäre Form) oder nach einer Periode bereits erworbener Blasenkontrolle auftreten (sekundäre Form). Bei 75 bis 80% der betroffenen Kinder liegt eine primäre Enuresis vor. Es gibt keine eindeutigen Normen bezüglich des Alters beim Erwerb der Blasenkontrolle. Von einer Enuresis spricht man jedoch erst ab einem Alter von 5 Jahren bzw. einem entsprechendem Entwicklungsstand. Das nächtliche Einnässen (Enuresis nocturna) ist mit 80% die häufigste Form, während die Kombination aus dem nächtlichen Einnässen und dem Einnässen bei Tag (kombinierte Enuresis nocturna und Harninkontinenz) in ihrer Häufigkeit bei 15% liegt. Eher selten ist das isolierte Einnässen tagsüber mit etwa 5%.

In den letzten Jahren haben sich die Behandlungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen mit Enuresis und Harninkontinenz deutlich verbessert. Für den Therapieerfolg sind die Abklärung der verschiedenen Symptombilder und die Zuordnung der Kinder zu einer diagnostizierten Kategorie von wesentlicher Bedeutung.

Diagnostik

Anamnese:

  • Familienanamnese
  • Einnässfrequenz und -menge
  • Miktionsverhalten
  • „Kontinenzverhalten“ (Drangsymptome, Haltemanöver)
  • Harnwegsinfektionen
  • Stuhlverhalten (Obstipation, Enkopresis)

Aufzeichnungen zum Einnäss- und Miktionsverhalten:

  • Enuresis-Kalender
  • Trink- und Miktionsprofil 1x24 Stunden
  • Miktions- und Einnässprotokoll
  • Schlaftiefenbestimmung

Klinische Untersuchung:

  • Allgemeiner Untersuchungsstatus
  • Orientierender Neurostatus
  • Muskeleigenreflexe und grobe Kraft der unteren Extremitäten
  • Fußstellung, Gangbild
  • Inspektion und Palpation des Lumbosakralbereichs
  • Äußeres Genitale

Labor, Bildgebung:

  • Urinteststreifen
  • Urinstatus: Spezifisches Gewicht, Erythrozyten, Leukozyten, Nitrit, Glukose
  • Urinsediment
  • Uricult
  • Sonographie: Nieren, ableitende Harnwege, Blasenwanddicke, Restharn

Die individuelle Therapie bei unwillkürlicher Urinabgabe (Harninkontinenz)

Bei der Behandlung der Enuresis und Harninkontinenz werden in erster Linie verschiedene urotherapeutische Verfahren angewendet, seltener wird medikamentös behandelt.

Der Therapieansatz ist das Ergebnis der Abklärung des jeweiligen Bedingungsgefüges der Symptomatik des Kindes. Die Kombination verschiedener Behandlungsverfahren ermöglicht therapeutische Flexibilität.

Wesentliche Therapien und Methoden:

  • apparative Konditionierung (Klingelhose)
  • operante Ansätze zur positiven emotionalen Verstärkung (Kalender, Puzzle)
  • Einsatz von materiellen Verstärkern im Rahmen von Verstärkerplänen
  • Blasentraining zur besseren Wahrnehmung der Blasenspannung
  • altersspezifische Erläuterung der anatomisch-physiologischen Vorgänge
  • Einhaltetraining (bewusstes Zurückhalten des Urins)
  • Unterbrechertraining (begonnene Miktion mehrfach unterbrechen)
  • Beckenbodengymnastik 
  • Gruppengesprächstherapie
  • Einzelgesprächstherapie
  • Entspannungsverfahren (Autogenes Training mit formelhafter Vorsatzbildung)
  • Psychologische Betreuung im Rahmen der Krankheitsbewältigung
  • Ergo-, Moto- und Musiktherapie
  • Multifamilientherapie für Patienten mit Begleitperson zur Bewältigung intrafamiliärer Konflikte und zur Sicherung des Langzeiterfolges
  • Elternberatung

Therapieziele bei Behandlung der Enuresis

Die Therapie der Enuresis zielt in erster Linie auf den Erwerb der Blasenkontrolle und das Erreichen der Kontinenz. Die Aufklärung, Verhinderung der, durch das Einnässen verursachten familiären Konflikte sowie die Motivation und Kooperationsbereitschaft des Patienten und dessen Familie, gehören zum wesentlichen Bestandteil der Therapie und sollen zur optimalen Versorgung und Verbesserung der Lebensqualität der betroffenen Kinder führen. 


Weitere Behandlungsziele sind:

  • Behandlung von Komorbiditäten nach entsprechender Priorität
  • Stärkung des Selbstwertes
  • Abbau sozialer Ängste und Kontaktschwierigkeiten
  • Sicherung des Langzeiterfolges und Erarbeitung von Strategien bei Rückfällen
  • Reduzierung bereits eingetretener Teilhabebeeinträchtigungen